In aktuellen Bauträgerverträgen findet sich immer häufiger ein neuer Trick der Bauträger, der wesentliche Rechte des Käufers verletzt oder gefährdet und damit das Risiko beim Kauf vom Bauträger erhöht. Der Käufer ist verpflichtet, das bezugsfertige, aber noch nicht vollständig fertiggestellte oder noch nicht vollständig mangelfreie Objekt abzunehmen (Teilabnahme). Der Verkäufer ist aber nicht verpflichtet, dem Käufer das bezugsfertige und abgenommene Objekt gegen Zahlung der bei Bezugsfertigkeit fälligen Kaufpreisraten auch zu übergeben. Die Übergabe soll vielmehr erst nach vollständiger, mangelfreier Fertigstellung des Objektes gegen Zahlung des vollständigen Kaufpreises erfolgen. Diese Vertragsgestaltung ist für den Käufer nicht nur rechtlich und wirtschaftlich nachteilig. Sie führt in der Praxis darüber hinaus nicht selten dazu, dass der Käufer wesentliche, vom Gesetzgeber zwingend vorgeschriebene Sicherungsrechte verliert.
Die rechtlichen und wirtschaftlichen Nachteile sind offensichtlich. Mit der Abnahme endet u.a. die Vorleistungspflicht des Bauträgers, beginnt die Verjährungsfrist für die abgenommenen Gewerke, die Gefahrtragung geht auf den Käufer über und die Beweislast für sichtbar werdende Mängel der abgenommenen Gewerke wechselt vom Bauträger zum Käufer. Der Käufer trägt weiterhin die Belastungen aus der Finanzierung der Immobilie, kann die Immobilie aber weder selbst nutzen noch vermieten. Die über diese rechtlichen und wirtschaftlichen Nachteile hinausgehenden Gefahren einer solchen Vertragsgestaltung sind dagegen weniger offensichtlich; sie zeigen sich erst bei der Durchführung des Vertrages. Denn bei dieser Vertragsgestaltung scheint der Bauträger berechtigt zu sein, die Übergabe der Immobilie bis zur vertragsgemäßen, also vollständigen, mangelfreien Fertigstellung und vollständigen Kaufpreiszahlung zu verweigern. Der Zeitpunkt der vertragsgemäßen Fertigstellung ist für den unredlichen Bauträger aber durchaus manipulierbar; denn die Erbringung von Restarbeiten und die Beseitigung von Mängeln liegen im alleinigen Entscheidungsbereich des Bauträgers. Das führt in der Praxis nicht selten dazu, dass die vertragsgemäße Fertigstellung verzögert wird bis der Käufer den Kaufpreis schließlich trotz fehlender oder mangelhafter Gewerke vollständig zahlt, also auf seine gesetzlichen Zurückbehaltungsrechte verzichtet, um den Verkäufer zur Übergabe der Immobilie zu bewegen.
Die Vereinbarung einer solchen Teilabnahme ohne gleichzeitige Übergabe verstößt jedoch gegen §§ 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, weil sie den Käufer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Zwar ist die Vereinbarung einer Teilabnahme auch im Bauträgervertrag nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Die Vereinbarung ist jedoch unwirksam, wenn sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Abnahmeregelung unvereinbar ist. Wesentlicher Grundgedanke der gesetzlichen Regelung ist die Abnahme bei Abnahmereife. Die Immobilie ist aber erst abnahmereif, wenn sie vollständig und ohne wesentliche Mängel fertiggestellt ist. Mit diesem wesentlichen Grundgedanken ist die Teilabnahme einer zwar bezugsfertigen, aber noch nicht vollständig und mangelfrei erstellten Immobilie ohne gleichzeitigen Besitzübergang unvereinbar. Denn die Teilabnahme ist für den Käufer mit den genannten, erheblichen Nachteilen verbunden, ohne dass diese durch die mit der Übergabe verbundenen Gebrauchsvorteile der bezugsfertigen Immobilie kompensiert wird. Die Vereinbarung einer Teilabnahme ohne gleichzeitige Übergabeverpflichtung des Verkäufers ist deshalb unwirksam.
Sehr geehrter Herr Dr. Recker,
Herr Kollege Basty hat sich mehrfach dafür ausgesprochen, dass eine vertragliche Abweichung des Besitzübergangs von den Regeln der MaBV dergestalt erfolgen könne, dass der Besitz nicht schon bei Verzugsfertigkeit sondern erst nach vollständiger Fertigstellung zu übergeben ist Zug um Zug gegen Zahlung des geschuldeten Kaufpreisrestbetrages (vorliegend 12 %); das sei eine zulässige Vereinbarung in Abweichung von der MaBV. Kennen Sie eine dagegen stehende Gerichtsentscheidung?
Sehr geehrter Herr Dr. Recker,
Herr Kollege Basty hat sich mehrfach dafür ausgesprochen, dass eine vertragliche Abweichung des Besitzübergangs von den Regeln der MaBV dergestalt erfolgen könne, dass der Besitz nicht schon bei Verzugsfertigkeit sondern erst nach vollständiger Fertigstellung zu übergeben ist Zug um Zug gegen Zahlung des geschuldeten Kaufpreisrestbetrages (vorliegend 12 %); das sei eine zulässige Vereinbarung in Abweichung von der MaBV. Kennen Sie eine dagegen stehende Gerichtsentscheidung?
Sehr geehrter Herr Kollege Christian-Maier,
vielen Dank für Ihren Hinweis.
Die Rechtsauffassung von Herrn Dr. Basty ist mir bekannt; ich teile diese Rechtsauffassung. Wie Sie richtig feststellen, hält Herr Dr. Basty eine vertragliche Regelung für rechtlich zulässig, die den Besitzübergang erst bei vollständiger Fertigstellung, also Abnahmereife, des Bauwerks, vorsieht. Allerdings empfiehlt auch Herr Dr. Basty eine solche Regelung keineswegs. Im Gegenteil: Herr Dr. Basty stellt ausdrücklich fest, dass eine solche Vertragsgestaltung im Einzelfall eine empfindliche Beeinträchtig der Rechte des Erwerbers darstellt (vgl. z.B. Basty, 7. Aufl. 2012, Rdn. 241) und verweist dazu auf die entsprechende höchstrichterliche Rechtsprechung. Genau diese Beeinträchtigung der Erwerberrechte in der aktuellen Praxis der Bauträger war Anlass und Gegenstand meines Blogbeitrags.
Beste kollegiale Grüße
Recker