Stichworte
Informations- und Aufklärungspflicht des Verkäufers beim Immobilienkauf, vorvertragliches und vertragliches Schuldverhältnis, Prüfung Bauträgervertrag
Bundesgerichtshof
Urteil vom 01.02.2013 – V ZR 72/11
Kurzfassung
Leitsatz
1. Vermitteln die von dem Verkäufer eines Hausgrundstücks angegebenen Mieteinnahmen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses aufgrund besonderer Umstände ein falsches Bild über die Ertragsfähigkeit des Grundstücks, muss er den Käufer über diese Umstände aufklären, wenn sie für dessen Kaufentschluss erkennbar von Bedeutung sind.
2. Die in einem Kaufvertrag vereinbarten Informationspflichten können über das hinausgehen, was der Verkäufer aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis mitzuteilen verpflichtet gewesen wäre …
Tatbestand
Mit notariellem Vertrag vom 14. März 2007 verkaufte der Beklagte der Insolvenzschuldnerin (im Folgenden: Schuldnerin) unter anderem ein mit einem Einkaufszentrum bebautes Grundstück in M….. Der Kaufpreis von 11.779.699 € war durch Multiplikation der Jahresmieten mit dem Faktor 11,33 errechnet worden. Die Richtigkeit dieser Mieten wurde von dem Beklagten garantiert.
Von der mehr als 7.000 qm großen Gesamtfläche des Einkaufszentrums war mehr als die Hälfte durch Verträge aus den Jahren 1993 und 1994 für die Dauer von 15 Jahren an die S…..AG (im Folgenden: Hauptmieter) für umgerechnet 12,42 €/qm vermietet. Diese nutzte die Flächen im Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses allerdings nicht mehr selbst, sondern hatte sie, mit Ausnahme einer leerstehenden Teilfläche von etwa 900 qm, untervermietet. Der aus den Untermietverhältnissen durchschnittlich erzielte Mietzins betrug bei Abschluss des Kaufvertrages 3,38 €/qm …
Entscheidungsgründe
… II.A.1. Ohne Rechtsfehler verneint das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch der Schuldnerin nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 241 Abs. 2 BGB wegen schuldhafter Verletzung einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht durch den Beklagten. Dieser musste die Schuldnerin nach den gegebenen Umständen nicht ungefragt darauf hinweisen, dass die von der Hauptmieterin erzielten Untermieten weniger als ein Viertel der im Kaufvertrag garantierten (und von der Hauptmieterin tatsächlich gezahlten) Hauptmieten betrugen.
a) Allerdings besteht auch bei Vertragsverhandlungen, in denen die Parteien entgegengesetzte Interessen verfolgen, für jeden Vertragspartner die Pflicht, den anderen Teil über Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck des anderen vereiteln können und daher für seinen Entschluss von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er die Mitteilung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Vertragsanschauung redlicherweise erwarten darf …
b) Die Aufklärungspflicht setzt allerdings voraus, dass sich die Fehlvorstellung des Käufers auf Umstände bezieht, die für seinen Kaufentschluss erkennbar von wesentlicher Bedeutung sind … Die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte habe nicht davon ausgehen müssen, dass die Schuldnerin nicht bereit wäre, das Grundstück zu dem vereinbarten Preis zu kaufen, wenn ihr die Diskrepanz zwischen der Höhe der Mieten und der Höhe der Untermieten bekannt wäre, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden …
2. Das Berufungsurteil ist jedoch deshalb rechtsfehlerhaft, weil das Berufungsgericht den vorgetragenen Sachverhalt nicht unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten gewürdigt hat. Es hat nicht berücksichtigt, dass die Klage wegen eines Schadensersatzanspruchs nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen Nichterfüllung einer im Kaufvertrag vereinbarten Informationspflicht begründet sein kann.
a) Ein Verkäufer kann sich vertraglich dazu verpflichten, dem Käufer bestimmte Auskünfte zu erteilen oder Unterlagen vorzulegen. Die in einem Kaufvertrag vereinbarten Informationspflichten können über das hinausgehen, was der Verkäufer auf Grund der sich aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis nach § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB ergebenden Pflicht nach § 241 Abs. 2 BGB zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Käufers mitzuteilen verpflichtet ist (vgl. B. Grunewald, Kaufrecht, § 6 Rn. 9; PWW/D. Schmidt, BGB, 7. Auflage, § 437 Anm. 76).
b) So ist es hier. Die Revision verweist dazu auf das Vorbringen der Schuldnerin, dass der Beklagte in dem Kaufvertrag solche Informationspflichten übernommen, aber nicht erfüllt habe …
(Die vollständige Entscheidung finden Sie hier)