Abnah­me­voll­macht für einen vom Bau­trä­ger bestimm­ba­ren Erstverwalter

 

Stich­wor­te
AGB, Ver­brau­cher­schutz, Prü­fung Bau­trä­ger­ver­trag, Woh­nungs­ei­gen­tum, Abnah­me, Gemein­schafts­ei­gen­tum, Erstverwalter

Bun­des­ge­richts­hof
Beschluss vom 12.09.2013 – VII ZR 308/12

 

Leit­satz

Eine von einem Bau­trä­ger in All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen eines Erwerbs­ver­tra­ges ver­wen­de­te Klau­sel, die die Abnah­me des Gemein­schafts­ei­gen­tums durch einen vom Bau­trä­ger bestimm­ba­ren Erst­ver­wal­ter ermög­licht, ist gemäß § 9 Abs  1 AGBG (jetzt: § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB) unwirksam.(Rn.6)

Tenor

Die Beschwer­de der Beklag­ten gegen die Nicht­zu­las­sung der Revi­si­on in dem Urteil des 23. Zivil­se­nats des Ober­lan­des­ge­richts Düs­sel­dorf vom 23. Okto­ber 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beklag­te trägt die Kos­ten des Beschwer­de­ver­fah­rens. Gegen­stands­wert: bis zu 290.000 €

Grün­de

I.
1  Die Klä­ge­rin, eine Woh­nungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaft, macht gegen die beklag­te Bau­trä­ge­rin Gewähr­leis­tungs­an­sprü­che gel­tend. Die Klä­ge­rin ver­langt Kos­ten­vor­schuss zur Besei­ti­gung von Undich­tig­kei­ten von Dächern der von der Beklag­ten errich­te­ten Rei­hen­häu­ser sowie Scha­dens­er­satz wegen unzu­rei­chen­den Schall­schut­zes. Fer­ner begehrt die Klä­ge­rin die Fest­stel­lung der wei­ter­ge­hen­den Ersatz­pflicht der Beklag­ten. Die­se ver­tei­digt sich unter ande­rem mit der Ein­re­de der Verjährung.

2     Die Beklag­te ver­pflich­te­te sich im Jahr 2001 zur Errich­tung einer Woh­nungs­ei­gen­tums­an­la­ge, bestehend aus zwei Häu­ser­zei­len mit ins­ge­samt 13 Ein­fa­mi­li­en­rei­hen­häu­sern. Die nota­ri­el­len Erwerbs­ver­trä­ge wur­den vor dem 1. Janu­ar 2002 geschlos­sen. Hin­sicht­lich der Abnah­me des Gemein­schafts­ei­gen­tums ent­hal­ten die jeweils gleich­lau­ten­den Erwerbs­ver­trä­ge unter Nr. V. 3. fol­gen­de Regelung:

"Für das Gemein­schafts­ei­gen­tum fin­det im Regel­fall eine geson­der­te Abnah­me statt. Der Käu­fer bevoll­mäch­tigt unter Befrei­ung von den Beschrän­kun­gen des § 181 BGB, und zwar jeden für sich allein, den nach­ge­nann­ten ver­ei­dig­ten Sach­ver­stän­di­gen, den nach dem Woh­nungs­ei­gen­tums­ge­setz für das Kauf­ob­jekt bestell­ten Ver­wal­ter sowie den Ver­wal­tungs­bei­rat mit der Abnah­me des Gemein­schafts­ei­gen­tums. Das Gemein­schafts­ei­gen­tum ist somit abge­nom­men, wenn ent­we­der alle Käu­fer oder anstel­le von Käu­fern der Sach­ver­stän­di­ge oder der Ver­wal­ter oder der Ver­wal­tungs­bei­rat das Gemein­schafts­ei­gen­tum abnimmt."

3      Ob und wann das Gemein­schafts­ei­gen­tum abge­nom­men wur­de, ist streitig.

4     Das Land­ge­richt hat der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Auf die Beru­fung der Beklag­ten hat das Beru­fungs­ge­richt (OLG Düs­sel­dorf, BauR 2013, 470) den Zah­lungs­an­spruch hin­sicht­lich der Schall­schutz­män­gel um die Umsatz­steu­er redu­ziert und das Rechts­mit­tel im Übri­gen zurück­ge­wie­sen. Die Revi­si­on hat es nicht zuge­las­sen. Dage­gen rich­tet sich die Beschwer­de der Beklag­ten, mit der sie ihren Antrag auf Kla­ge­ab­wei­sung weiterverfolgt.

II.

5      Die Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de hat kei­nen Erfolg. Die Rechts­sa­che hat weder grund­sätz­li­che Bedeu­tung noch erfor­dert die Fort­bil­dung des Rechts oder die Siche­rung einer ein­heit­li­chen Recht­spre­chung eine Ent­schei­dung des Revi­si­ons­ge­richts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

6  1. Zutref­fend hat das Beru­fungs­ge­richt die von der Beklag­ten behaup­te­te Abnah­me des Gemein­schafts­ei­gen­tums durch die Erst­ver­wal­te­rin am 14. Dezem­ber 2001 als unwirk­sam ange­se­hen, weil die Erst­ver­wal­te­rin durch Nr. V. 3. der nota­ri­el­len Erwerbs­ver­trä­ge nicht wirk­sam zu einer sol­chen Abnah­me bevoll­mäch­tigt wor­den ist, und aus die­sem Grund eine Ver­jäh­rung der mit der Kla­ge gel­tend gemach­ten Ansprü­che verneint.

7        Die Rege­lung in Nr. V. 3. der Erwerbs­ver­trä­ge, die nach den Fest­stel­lun­gen des Beru­fungs­ge­richts als von der Beklag­ten ver­wen­de­te All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gung anzu­se­hen ist, ist gemäß § 9 Abs. 1 AGBG (jetzt: § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB) unwirk­sam, weil sie die Erwer­ber ent­ge­gen den Gebo­ten von Treu und Glau­ben unan­ge­mes­sen benachteiligt.

8      a) Nach Nr. V. 3. der Erwerbs­ver­trä­ge bevoll­mäch­ti­gen die Erwer­ber unter ande­rem "den nach dem Woh­nungs­ei­gen­tums­ge­setz für das Kauf­ob­jekt bestell­ten Ver­wal­ter" mit der Abnah­me des Gemein­schafts­ei­gen­tums. Als tei­len­der Eigen­tü­mer hat der Bau­trä­ger die Mög­lich­keit, den ers­ten Ver­wal­ter bereits in der Tei­lungs­er­klä­rung zu bestel­len (zu § 26 WEG in der bis zum 30. Juni 2007 gel­ten­den Fas­sung sie­he BGH, Beschluss vom 20. Juni 2002 – V ZB 39/01, BGHZ 151, 164, 173; BayO­bLGZ 1974, 275, 278 f.; BayO­bLGZ 1974, 305, 309; BayO­bLG, NJW-RR 1994, 784; KG, OLGZ 1976, 266, 268; zu § 26 WEG n.F. sie­he KGZWE 2012, 96; Bärmann/Merle, WEG, 12. Aufl., § 26 Rn. 54; Beck­OK WEG/Knop, Stand: 31. Juli 2013,
§ 26 Rn. 31). Dabei kann der Bau­trä­ger einen Erst­ver­wal­ter bestel­len, der mit ihm wirt­schaft­lich oder recht­lich ver­bun­den ist. So ver­hält es sich nach den Fest­stel­lun­gen des Beru­fungs­ge­richts auch im Streit­fall. Das begrün­det im Hin­blick auf die Abnah­me für die Erwer­ber die Gefahr, dass ein sol­cher Ver­wal­ter die Vor­aus­set­zun­gen der Abnah­me­fä­hig­keit des Gemein­schafts­ei­gen­tums nicht neu­tral prüft, son­dern zuguns­ten des Bau­trä­gers ver­fährt, wodurch die­ser ent­schei­den­den Ein­fluss auf die Abnah­me neh­men könnte.

9      Aus die­sem Grund hält eine vom Bau­trä­ger in All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen eines Erwerbs­ver­tra­ges ver­wen­de­te Klau­sel, die – wie hier – die Abnah­me des Gemein­schafts­ei­gen­tums durch einen mit dem Bau­trä­ger wirt­schaft­lich oder recht­lich ver­bun­de­nen Erst­ver­wal­ter ermög­licht, nach nahe­zu ein­hel­li­ger Auf­fas­sung der Inhalts­kon­trol­le am Maß­stab von § 9 Abs. 1 AGBG bzw. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht stand (sie­he Koeb­le in: Koeble/Grziwotz, Rechts­hand­buch Immo­bi­li­en, Stand: 1. Novem­ber 2012, Bd. I, 18. Kap. Rn. 18; Pau­se, Bau­trä­ger­kauf und Bau­mo­del­le, 5. Aufl., Rn. 603; Pause/Vogel in: Kniff­ka, ibr-online-Kom­men­tar Bau­ver­trags­recht, Stand: 13. August 2013, § 640 BGB Rn. 6, 125; Mes­ser­schmidt in: Messerschmidt/Voit, Pri­va­tes Bau­recht, 2. Aufl., § 640 BGB Rn. 37; Blank, Bau­trä­ger­ver­trag, 4. Aufl., Rn. 346; Staudinger/Bub, WEG, Neu­be­ar­bei­tung 2005, § 21 Rn. 245; Lotz, BauR 2008, 740, 745; Vogel, NZM 2010, 377, 379; von Oefe­le, DNotZ 2011, 249, 258; Ster­ner, BauR 2012, 1160, 1162; Ott, ZWE 2010, 157, 161; ders., ZWE 2013, 253, 255; vgl. auch Rie­men­schnei­der in: Grziwotz/Koeble, Hand­buch Bau­trä­ger­recht, 3. Teil, Rn. 762; zur Gefahr von Inter­es­sen­kol­li­sio­nen sie­he auch OLG Hamm, NJW-RR 2004, 1382). Die­ser Sicht­wei­se ist das Beru­fungs­ge­richt zu Recht bei­getre­ten (eben­so OLG Bran­den­burg, Urteil vom 13. Juni 2013 – 12 U 162/12, juris Rn. 110).

10     Die Beschwer­de bezieht sich nur auf eine Stim­me im Schrift­tum, wonach eine den Inter­es­sen des Bau­trä­gers Rech­nung tra­gen­de Abnah­me des Gemein­schafts­ei­gen­tums trotz Ver­flech­tung unschäd­lich sei, sofern sie gewis­sen­haft vor­ge­nom­men wer­de (Basty, Der Bau­trä­ger­ver­trag, 7. Aufl., Rn. 1008, 1018 unter Hin­weis auf Häub­lein, DNotZ 2002, 608, 627 f.). Die­se ver­ein­zelt geblie­be­ne Lite­ra­tur­auf­fas­sung gebie­tet die Zulas­sung der Revi­si­on jedoch nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Janu­ar 2013 – VII ZR 47/11, BauR 2013, 599 = NZBau 2013, 293 Rn. 9 m.w.N.). Sie ver­kennt, dass es kei­ne den Inter­es­sen des Erwer­bers gerecht wer­den­de Ver­trags­ge­stal­tung ist, wenn er auf den von ihm zu bewei­sen­den Ein­wand des Miss­brauchs der Ver­tre­tungs­macht ver­wie­sen wird.

11     b) Die gesetz­li­che Mög­lich­keit des Wider­rufs der for­mu­lar­mä­ßig erteil­ten Voll­macht (§ 168 Satz 3 BGB) kom­pen­siert die unan­ge­mes­se­ne Benach­tei­li­gung nicht. Die Wider­rufs­mög­lich­keit kann schon des­halb prak­tisch leer­lau­fen, weil das Klau­sel­werk der Beklag­ten nicht sicher­stellt, dass der Erwer­ber von dem Abnah­me­ter­min Kennt­nis erlangt.

12      c) Es bedarf daher kei­ner Ent­schei­dung, ob die von der Beklag­ten ver­wen­de­te For­mu­lar­be­stim­mung den sich aus dem Trans­pa­renz­ge­bot erge­ben­den Anfor­de­run­gen nicht gerecht wird, weil sie kei­nen Hin­weis auf die Wider­ruf­lich­keit der Voll­macht ent­hält (sie­he OLG Karls­ru­he, NJW 2012, 237; OLG Bran­den­burg, Urteil vom 13. Juni 2013 – 12 U 162/12, juris Rn. 109; Kar­c­zew­ski, IBR 2013, 280; Ott, ZWE 2013, 253, 256).

13     2. Von einer wei­te­ren Begrün­dung wird abge­se­hen, weil sie nicht geeig­net wäre, zur Klä­rung der Vor­aus­set­zun­gen bei­zu­tra­gen, unter denen eine Revi­si­on zuzu­las­sen ist (§ 544 Abs. 4 Satz 2 Halb­satz 2 ZPO).

III.

14     Die Kos­ten­ent­schei­dung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Kniff­ka                         Safa­ri Cha­bes­ta­ri Eick

Kos­zi­ol                                       Kartzke

 

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