Bin­dungs­fris­ten beim Bauträgervertrag

 

Stich­wor­te
Prü­fung Bau­trä­ger­ver­trag, Bin­dungs­fris­ten, Zuläs­sig­keit, unan­ge­mes­se­ne Benach­tei­li­gung des Käufers

Ober­lan­des­ge­richt Koblenz
Urteil vom 21.11.2019 — 1 U 556/19

 

Leit­sät­ze

  1. - Notar­haf­tung – Liegt eine fahr­läs­si­ge Ver­let­zung der Beleh­rungs­pflich­ten des Notars vor (hin­sicht­lich der Unwirk­sam­keit einer unbe­fris­te­ten Fort­gel­tungs­klau­sel – Ange­bot zum Erwerb einer ETW), so schei­det ein Ersatz­an­spruch aus, wenn für das Gericht fest­steht, dass der Ver­trag in glei­cher Wei­se auch bei ord­nungs­ge­mä­ßer Beleh­rung geschlos­sen wor­den wäre. Indi­zi­en hier­für erge­ben sich aus zuvor getrof­fe­nen finan­zi­el­len Dis­po­si­tio­nen (u.a. Dar­le­hens­auf­nah­me) sowie den güns­ti­gen wirt­schaft­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen des ETW-Erwerbs (gute Kapi­tal­an­la­ge, vor­teil­haf­te Mie­ten, Steu­er­vor­tei­le usw.).
  2. Bei dem gel­tend gemach­ten Scha­den (vol­ler Kauf­preis der ETW gegen Über­eig­nung, Über­ga­be der­sel­ben) müs­sen im Rah­men der Schlüs­sig­keits­prü­fung auch die erziel­ten Ver­mö­gens­vor­tei­le (Mie­ten, Steu­er­vor­tei­le etc.) berück­sich­tigt werden.

Zum Sach­ver­halt:

I.

1    Der Klä­ger ver­langt von dem beklag­ten Notar wegen Pflicht­ver­let­zun­gen bei der Beur­kun­dung eines nota­ri­el­len Kauf­ver­tra­ges Schadensersatz.

2    Der Klä­ger ließ, nach­dem er zuvor bereits den zur Finan­zie­rung not­wen­di­gen Dar­le­hens­ver­trag geschlos­sen hat­te, aus dem sich nach dem Abru­fen des Dar­le­hens für ihn eine monat­li­che Ver­pflich­tung in Höhe von 775,67 EUR ergab, am 4.4.2008 von dem Notar Dr. X in K ein Ange­bot zum Abschluss eines Woh­nungs­ei­gen­tums­kauf­ver­tra­ges beur­kun­den. Zif­fer I. die­ses Ange­bo­tes ent­hielt eine soge­nann­te Fort­gel­tungs­klau­sel und lau­te­te wie folgt:

Ich mache hier­mit der F Gesell­schaft mbH & Co. KG, das Ange­bot zum Abschluss eines Kauf­ver­tra­ges mit nach­ste­hen­dem Inhalt.

Ich hal­te mich an das Ange­bot unwi­der­ruf­lich bis zum Ablauf des 2.5.2008 gebun­den. Wäh­rend der Dau­er der Bin­dungs­frist kann das Ange­bot von dem Anbie­ten­den ein­sei­tig weder wider­ru­fen noch inhalt­lich abge­än­dert wer­den. Zur Wirk­sam­keit des Ver­tra­ges ist ledig­lich erfor­der­lich, dass die Annah­me­er­klä­rung vor Ablauf der Annah­me­frist vor einem Notar abge­ge­ben wird, nicht dage­gen der Zugang der Annah­me­er­klä­rung an den Anbie­ten­den inner­halb der Frist.

Mit Ablauf der Frist erlischt das Ange­bot nicht. Der Anbie­ten­de kann nach Ablauf der unwi­der­ruf­li­chen Frist jeder­zeit den Ange­bots­emp­fän­ger auf­for­dern, inner­halb einer Frist von 1 Woche das Ange­bot anzu­neh­men. Nach ergeb­nis­lo­sem Frist­ab­lauf kann der Anbie­ten­de das Ange­bot gegen­über dem Ange­bots­emp­fän­ger wider­ru­fen. Frist­set­zung und Wider­ruf bedür­fen der Schrift­form. Bis zum Wider­ruf kann das Ange­bot ange­nom­men werden.“

3    Gegen­stand des Kauf­ver­tra­ges soll­te ein im Woh­nungs­grund­buch des Amts­ge­richts W von F auf Blatt 3146 ver­zeich­ne­tes Woh­nungs­ei­gen­tum mit einer Flä­che von etwa 83 qm sein, das als Teil einer Woh­nungs­ei­gen­tums­ge­mein­schaft an die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land (Bun­des­fi­nanz­ver­wal­tung) zu einer monat­li­chen Kalt­mie­te von 6,44 EUR pro qm ver­mie­tet war. Das Miet­ver­hält­nis war befris­tet bis zum 31.5.2013. Die Woh­nung wur­de durch die bri­ti­schen Streit­kräf­te genutzt. Tat­säch­lich dau­er­te das Miet­ver­hält­nis bis zum Dezem­ber 2015 an. Der Kauf­preis soll­te 130.000,00 EUR brut­to, mit­hin 109.243,70 EUR net­to, betra­gen. Der Klä­ger erhielt auf­grund der Ver­mie­tung die Umsatz­steu­er von der Finanz­ver­wal­tung zurück­er­stat­tet. Das Ange­bot des Klä­gers wur­de am 23.7.2008 von der Adres­sa­tin, der Fir­ma F, ange­nom­men. An die­sem Tag beur­kun­de­te der Beklag­te, Rechts­an­walt und Notar in N, die Annah­me­er­klä­rung und lei­te­te, wie in dem Ver­trags­an­ge­bot des Klä­gers vor­ge­se­hen, die Abwick­lung des Ver­tra­ges ein. Der Klä­ger zahl­te den Kauf­preis und wur­de ins Grund­buch eingetragen.

4    Der Klä­ger hat vor­ge­tra­gen, dass der Beklag­te für eine Viel­zahl von Objek­ten der Fir­ma F nicht nur die Ankaufs­ver­trä­ge, son­dern auch die soge­nann­te Ver­wei­sungs­ur­kun­de gefer­tigt habe. Er habe ohne recht­fer­ti­gen­den Grund den Kauf­ver­trag in ein Ange­bot und in eine Annah­me­er­klä­rung geteilt. Das so von dem Beklag­ten vor­be­rei­te­te Ange­bot sei ent­we­der von ihm selbst oder einem ande­ren Notar beur­kun­det wor­den. Der Beklag­te hät­te auf­grund der Unwirk­sam­keit der Fort­gel­tungs­klau­sel am 23.7.2008 die Beur­kun­dung der Annah­me­er­klä­rung ableh­nen müs­sen. Jeden­falls sei der Beklag­te ver­pflich­tet gewe­sen, den Klä­ger auf die Unwirk­sam­keit sei­ner Ange­bots­er­klä­rung hin­zu­wei­sen. Bei einem sol­chen Hin­weis hät­te er, der Klä­ger, von dem Erwerb der Woh­nung abge­se­hen. Da der Beklag­te auch die jewei­li­gen Ankaufs­ver­trä­ge der Fir­ma F beur­kun­det habe, sei ihm bekannt gewe­sen, dass die­se die Woh­nun­gen jeweils zu Kauf­prei­sen zwi­schen 30.000,00 EUR und 40.000,00 EUR erwor­ben und die Woh­nun­gen sodann, ohne die­se zu ver­än­dern, für das Zwei­fa­che bis Drei­fa­che die­ses Betra­ges wei­ter­ver­kauft habe. Tat­säch­lich habe die von dem Klä­ger erwor­be­ne Woh­nung nur einen Ver­kehrs­wert von 40.000,00 EUR, so dass der Beklag­te posi­ti­ve Kennt­nis von der sit­ten­wid­ri­gen Über­teue­rung des Kauf­prei­ses gehabt habe.

5   Der Klä­ger hat erst­in­stanz­lich beantragt,

den Beklag­ten zu ver­ur­tei­len, an den Klä­ger 130.000,00 EUR nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten hier­aus über dem Basis­zins­satz seit Rechts­hän­gig­keit (7.7.2018) zu zah­len, Zug um Zug gegen las­ten­freie Über­tra­gung des Eigen­tums an der Eigen­tums­woh­nung mit der Num­mer 6 im Objekt H. B., ein­ge­tra­gen im Grund­buch des Amts­ge­richts W. von F., Blatt 3…

6   Der Beklag­te hat beantragt,

die Kla­ge abzuweisen.

7    Er hat ein­ge­wandt, der Klä­ger habe mit der Umsatz­steu­er­be­frei­ung zur gewerb­li­chen Ver­mie­tung ange­setzt und sei damit als Unter­neh­mer im Sin­ne des § 14 BGB tätig gewor­den. Im Übri­gen habe nicht der Beklag­te, son­dern der Notar Dr. X die Fort­set­zungs­klau­sel erstellt, ver­wen­det und beur­kun­det. Ihm selbst habe bei der Beur­kun­dung der Annah­me­er­klä­rung die Ange­bots­ur­kun­de mit der Fort­gel­tungs­klau­sel nicht vor­ge­le­gen. Im Übri­gen hät­te der Klä­ger auch dann, wenn ein Hin­weis auf die mög­li­che Unwirk­sam­keit der Fort­gel­tungs­klau­sel erfolgt wäre, die zur Her­bei­füh­rung des Ver­trags­schlus­ses erfor­der­li­chen Erklä­run­gen abge­ge­ben. Die Ver­käu­fe­rin habe die Woh­nun­gen jeweils saniert. Auch die an den Klä­ger ver­kauf­te Woh­nung sei saniert gewe­sen. Jeden­falls habe er, der Beklag­te, allen­falls fahr­läs­sig gehan­delt, so dass der Klä­ger gemäß § 19 Abs. 1 S. 2 BNo­tO pri­mär gehal­ten gewe­sen wäre, Drit­te zur Deckung des gel­tend gemach­ten Scha­dens in Anspruch zu neh­men. Zudem sei­en die Ansprü­che des Klä­gers verjährt.

8    Das Land­ge­richt hat die Kla­ge abge­wie­sen und aus­ge­führt, dass die Vor­aus­set­zun­gen eines Scha­dens­er­satz­an­spruchs aus § 19 BNo­tO auch bei Zugrun­de­le­gung des klä­ge­ri­schen Sach­vor­trags als zutref­fend nicht erfüllt seien.

9    Es spre­che zwar vie­les dafür, dass – bei Unter­stel­lung des klä­ge­ri­schen Sach­vor­trags als wahr – der Beklag­te tat­säch­lich ver­pflich­tet gewe­sen sei, den Klä­ger dar­über zu beleh­ren, dass sein Ange­bot nach Ablauf der Bin­dungs­frist nicht mehr gegol­ten habe, son­dern erlo­schen gewe­sen sei, da eine unbe­grenz­te Fort­gel­tungs­klau­sel wie sie hier ver­wen­det wor­den sei nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ge­richts­hofs (Urteil vom 21.1.2016 – III ZR 159/15) gegen das in § 308 Nr. 1 BGB nor­mier­te Klau­sel­ver­bot ver­sto­ße und des­halb unwirk­sam sei. Dabei kön­ne dahin­ste­hen, ob der Klä­ger als Unter­neh­mer im Sin­ne des § 14 BGB anzu­se­hen sei. Selbst wenn dem so wäre, sei davon aus­zu­ge­hen, dass der sich aus der Fort­gel­tungs­klau­sel erge­ben­de Schwe­be­zu­stand von unan­ge­mes­sen lan­ger Dau­er sei mit der Fol­ge, dass die Klau­sel von dem gesetz­li­chen Leit­bild der §§ 145, 146, 147 Abs. 2 BGB abwei­che und des­halb nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB auch bei einer ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­rung zwi­schen Unter­neh­mern unwirk­sam sei (vgl. BGH, Urteil vom 26.2.2016 – V ZR 208/14).

10 Ent­schei­dend sei aber, dass der Klä­ger im vor­lie­gen­den Fall nicht plau­si­bel dar­ge­legt habe, dass er bei einer ent­spre­chen­den Auf­klä­rung durch den Beklag­ten von dem Kauf­ver­trag tat­säch­lich Abstand genom­men hät­te. Ihm sei des­halb durch die unter­blie­be­ne Auf­klä­rung kein kau­sa­ler Scha­den ent­stan­den. Hier sei ent­schei­dend, dass der Klä­ger die Woh­nung als Kapi­tal­an­la­ge erwor­ben und das bereits zuvor begrün­de­te Miet­ver­hält­nis mit der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land fort­ge­setzt habe. Zudem habe der Klä­ger bereits vor der Abga­be sei­nes Ange­bots zur Deckung sei­ner dann ent­ste­hen­den Zah­lungs­ver­pflich­tung einen ent­spre­chen­den Dar­le­hens­ver­trag geschlos­sen. Die Ver­pflich­tun­gen aus dem Dar­le­hens­ver­trag hät­ten fort­be­stan­den, auch wenn er von dem Erwerb der Woh­nung Abstand genom­men hät­te. Von Bedeu­tung sei außer­dem, dass die wirt­schaft­li­che Situa­ti­on des Klä­gers, die dem beab­sich­tig­ten Ver­trags­schluss zu Grun­de lag, sich seit der Abga­be des Ange­bots nicht geän­dert habe. Dem tat­säch­li­chen Kauf­preis für die Woh­nung in Höhe von rund 109.000,00 EUR hät­ten jähr­li­che Miet­ein­nah­men (Net­to­kalt­mie­te) in Höhe von 6400,00 EUR gegen­über gestan­den. Die­se Miet­ein­nah­men sei­en durch einen lang­fris­ti­gen Miet­ver­trag und einen in jedem Fall sol­ven­ten Mie­ter, die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land, gesi­chert gewe­sen. Weder im April 2008 (also bei der Abga­be des Ange­bots durch den Klä­ger) noch im Juli 2008 (bei der Annah­me des Ange­bots durch die Fir­ma F) sei bekannt gewe­sen, dass es über das Jahr 2015 hin­aus nicht zu einer Fort­set­zung des Miet­ver­hält­nis­ses kom­men wür­de. Der Klä­ger habe zudem von Anfang an in Kauf genom­men, dass sei­ne Ver­pflich­tung aus dem Dar­le­hens­ver­trag (775,67 EUR monat­lich für Zins und Til­gung) die monat­li­chen Net­to­miet­ein­nah­men (534,00 EUR) aus der Ver­mie­tung der Woh­nung über­stei­gen wür­den. Der Klä­ger habe kei­ne Gesichts­punk­te auf­ge­zeigt, die es vor die­sem Hin­ter­grund für ihn erwä­gens­wert hät­ten machen kön­nen, den im April 2008 ange­streb­ten Kauf­ver­trag im Juli 2008 nicht mehr abzuschließen.

11 Die getrenn­te Beur­kun­dung von Ange­bots- und Annah­me­er­klä­rung sei im vor­lie­gen­den Fall nicht zu bean­stan­den, son­dern sach­ge­recht, da so ein erheb­li­cher Rei­se­auf­wand habe ver­mie­den wer­den können.

12 Dem Beklag­ten kön­ne auch nicht der Vor­wurf gemacht wer­den, dass er bei der Beur­kun­dung der Annah­me­er­klä­rung Kennt­nis von einem wesent­lich gerin­ge­ren Ver­kehrs­wert der Woh­nung und damit von der Sit­ten­wid­rig­keit des Geschäfts gehabt habe. Ein auf­fäl­li­ges, die Sit­ten­wid­rig­keit begrün­den­des Miss­ver­hält­nis zwi­schen Leis­tung und Gegen­leis­tung sei erst gege­ben, wenn die von dem Schuld­ner – hier dem Klä­ger – zu erbrin­gen­de Leis­tung um mehr als 100 % über dem Markt­preis lie­ge. Dies sei vor­lie­gend jedoch nicht der Fall. Die lang­fris­tig ver­mie­te­te Woh­nung die­ne als Anla­ge­ob­jekt, so dass nicht der Sub­stanz­wert, son­dern der Ertrags­wert für die Ermitt­lung des Ver­kehrs­wer­tes zu Grund zu legen sei. Nach den in dem nota­ri­ell beur­kun­de­ten Ange­bot des Klä­gers ent­hal­te­nen Anga­ben habe die Woh­nung jähr­li­che Net­to­kalt­mie­ten von 6.400,00 EUR lang­fris­tig und zuver­läs­sig und ohne Boni­täts­ri­si­ko des Mie­ters erwar­ten las­sen. Unter Berück­sich­ti­gung der Erstat­tung der Umsatz­steu­er durch die Finanz­ver­wal­tung erge­be sich zwang­los ein Ertrags­wert, der jeden­falls weit über der Hälf­te des von dem Klä­ger zu zah­len­den Kauf­prei­ses lie­ge. Es hät­te daher wei­te­rer, hier nicht vor­ge­tra­ge­ner Umstän­de bedurft, um den Kauf­ver­trag sit­ten­wid­rig erschei­nen zu lassen.

13 Abge­se­hen davon habe der Beklag­te ein etwa­iges sit­ten­wid­ri­ges Miss­ver­hält­nis zwi­schen Leis­tung und Gegen­leis­tung hier jeden­falls nicht erken­nen kön­nen. Aus einer Beur­kun­dung des Ankaufs­ver­tra­ges des Ver­käu­fers hät­te der Beklag­te nur Kennt­nis von dem Kauf­preis gehabt, den der Ver­käu­fer gezahlt habe. Wel­chen Ver­kehrs­wert die Woh­nung aber tat­säch­lich gehabt habe, habe der Beklag­te nicht wis­sen kön­nen; Ver­kehrs­wert und Kauf­preis müss­ten sich nicht decken. Die Woh­nung lie­ge auch nicht im Spren­gel des Beklag­ten, so dass er die ört­li­chen Ver­hält­nis­se nicht aus eige­ner Erfah­rung beur­tei­len könne.

14 Gegen die­se Ent­schei­dung wen­det sich der Klä­ger mit der Beru­fung. Er ver­folgt sei­ne erst­in­stanz­li­chen Kla­ge­zie­le in vol­lem Umfang wei­ter und führt zur Begrün­dung sei­nes Rechts­mit­tels aus, dass er sehr wohl plau­si­bel dar­ge­legt habe, dass er bei Kennt­nis der Unwirk­sam­keit der Fort­gel­tungs­klau­sel von dem Kauf­ver­trag Abstand genom­men hät­te. Das Land­ge­richt habe die Dar­le­gungs- und Beweis­last ver­kannt. Es oblie­ge allein dem beklag­ten Notar, dar­zu­le­gen und unter Beweis zu stel­len, dass die Ver­käu­fe­rin einen inhalts­glei­chen Kauf­ver­trag mit dem Klä­ger hät­te abschlie­ßen kön­nen, wenn die­ser von der Unwirk­sam­keit der Fort­gel­tungs­klau­sel Kennt­nis gehabt hät­te. Die Woh­nung sei von der F im Übri­gen auch für ledig­lich 40.000,00 EUR ange­kauft wor­den. Hier­von habe der Beklag­te Kennt­nis gehabt. Inso­weit sei erst­in­stanz­lich der Zeu­ge St ange­bo­ten wor­den; die­sen Beweis­an­trag habe das Land­ge­richt aber ver­fah­rens­feh­ler­haft über­gan­gen. Auf­grund sei­ner unter Beweis gestell­ten Vor­kennt­nis­se hät­te der Beklag­te den Klä­ger dar­über beleh­ren müs­se, dass er auf­grund § 14 Abs. 2 BNo­tO für eine erneu­te Beur­kun­dung nicht zur Ver­fü­gung ste­he, da die Fir­ma F unred­li­che Zwe­cke verfolge.

15 Der Klä­ger beantragt,

1.Das Urteil des Land­ge­richts Bad Kreuz­nach wird aufgehoben.

2.Der Beklag­te wird ver­ur­teilt, an den Klä­ger 130.000,00 EUR nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten hier­aus über dem Basis­zins­satz seit dem 7.7.2018 zu zah­len, Zug um Zug gegen las­ten­freie Über­tra­gung des Eigen­tums an der Eigen­tums­woh­nung mit der Nr. 6 im Objekt H B, ein­ge­tra­gen im Grund­buch des Amts­ge­richts W von F, Blatt 3146.

16 Der Beklag­te beantragt,

die Beru­fung zurückzuweisen.

17 Er ist der Ansicht, dass eine Beweis­erhe­bung für die Urteils­fin­dung nicht erfor­der­lich gewe­sen sei. Das Land­ge­richt habe zu Recht die Kau­sa­li­tät ver­neint. Hin­sicht­lich der Dar­le­gungs- und Beweis­last blei­be es bei dem all­ge­mei­nen Grund­satz, dass der Klä­ger die anspruchs­be­grün­den­den Tat­sa­chen zu bewei­sen habe. Dies gel­te auch für den not­wen­di­gen adäqua­ten Kau­sal­zu­sam­men­hang zwi­schen Amts­pflicht­ver­let­zung und Scha­den. Das Land­ge­richt sei hier zutref­fend davon aus­ge­gan­gen, dass der Klä­ger bei einer pflicht­ge­mä­ßen Auf­klä­rung sei­nen ursprüng­li­chen Kauf­ent­schluss nicht revi­diert hät­te. Es wer­de bestrit­ten, dass die Fir­ma F die Woh­nung für ledig­lich 40.000,00 EUR ange­kauft habe. Die Fir­ma F habe die Woh­nung im Übri­gen vor dem Wei­ter­ver­kauf an den Klä­ger kos­ten­in­ten­siv saniert. Wei­ter wer­de bestrit­ten, dass der Beklag­te in einer Viel­zahl ande­rer Fäl­le die Ankäu­fe von Woh­nun­gen durch die Fir­ma F beur­kun­det habe. Schließ­lich haf­te der Beklag­te nur sub­si­di­är. Der Klä­ger habe aber gar nicht vor­ge­tra­gen, dass er Scha­dens­er­satz­an­sprü­che nicht erfolg­reich gegen­über dem Ver­käu­fer (der Fir­ma F), deren Geschäfts­füh­rer oder sei­nem eige­nen Anla­ge­be­ra­ter hät­te durch­set­zen können.

18 Wegen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Vor­trags der Par­tei­en wird auf die zwi­schen den Par­tei­en gewech­sel­ten Schrift­sät­ze nebst Anla­gen Bezug genommen.

Aus den Gründen:

II.

19 Die Beru­fung des Klä­gers ist zuläs­sig, hat jedoch in der Sache kei­nen Erfolg.

20 Das Land­ge­richt hat zu Recht ent­schie­den, dass der Klä­ger gegen den Beklag­ten kei­nen Anspruch auf Scha­dens­er­satz aus § 19 Abs. 1 S. 1 BNo­tO wegen einer Pflicht­ver­let­zung im Zusam­men­hang mit der Beur­kun­dung der Annah­me­er­klä­rung der Fir­ma F hat.

21 Bereits nach der Sach­ver­halts­dar­stel­lung des Klä­gers sind nicht sämt­li­che Vor­aus­set­zun­gen eines sol­chen Scha­dens­er­satz­an­spruchs erfüllt.

22 Das Land­ge­richt konn­te des­halb bei sei­ner kla­ge­ab­wei­sen­den Ent­schei­dung den Vor­trag des Klä­gers als zutref­fend unter­stel­len und auf die­ser Grund­la­ge ver­fah­rens­feh­ler­frei von einer Beweis­auf­nah­me absehen.

23 Nach § 19 Abs. 1 S. 1 BNo­tO hat ein Notar, der vor­sätz­lich oder fahr­läs­sig die ihm einem ande­ren gegen­über oblie­gen­de Amts­pflicht ver­letzt, die­sem ande­ren den dar­aus ent­ste­hen­den Scha­den zu erset­zen. Nach der Sub­si­dia­ri­täts­klau­sel des § 19 Abs. 1 S. 2 BNo­tO kann ein Notar, dem nur Fahr­läs­sig­keit zur Last fällt, jedoch nur dann in Anspruch genom­men wer­den, wenn der Ver­letz­te nicht auf ande­re Wei­se Ersatz ver­lan­gen kann.

24 1. Aus­ge­hend von dem Vor­trag des Klä­gers dürf­te der Beklag­te bei der Beur­kun­dung der Annah­me­er­klä­rung der Fir­ma F Hin­weis- und Beleh­rungs­pflich­ten aus §§ 17 Abs. 1 BeurkG, 14 Abs. 1 S. 2 BNo­tO ver­letzt haben, die ihm gegen­über dem Klä­ger oblagen.

25 Mit in NJW 2013, 3434 ver­öf­fent­lich­tem Ver­säum­nis­ur­teil vom 7.6.3013 (V ZR 10/12) hat der Bun­des­ge­richts­hof ent­schie­den, dass eine Klau­sel in All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen, die regelt, dass ein Ange­bot eines Käu­fers unbe­fris­tet fort­be­steht und vom Ver­käu­fer jeder­zeit ange­nom­men wer­den kann, auch dann mit § 308 Nr. 1 BGB (wonach eine AGB-Bestim­mung unwirk­sam ist, durch die sich der Ver­wen­der unan­ge­mes­sen lan­ge oder nicht hin­rei­chend bestimm­te Fris­ten für die Annah­me oder die Ableh­nung eines Ange­bots vor­be­hält) unver­ein­bar ist, wenn das Ange­bot nicht bin­dend, son­dern frei wider­ruf­lich ist. Die Fort­gel­tungs­klau­sel in dem Ange­bot des Klä­gers war hier dem­nach unwirk­sam. Das Ange­bot des Klä­gers war nach dem Ablauf der Bin­de­frist erlo­schen und die ver­spä­te­te Annah­me­er­klä­rung der Fir­ma F stell­te gemäß § 150 Abs. 1 BGB ein neu­es Ange­bot dar (vgl. BGH, Urteil vom 21.1.2016, Az.: III ZR 159/15 = NJW 2016, 1324).

26 Nach § 17 Abs. 1 S. 1 BeurkG hat der Notar den Wil­len der Betei­lig­ten zu erfor­schen, den Sach­ver­halt zu klä­ren und über die recht­li­che Trag­wei­te des Geschäfts zu beleh­ren. Bestehen Zwei­fel, ob das Geschäft dem Gesetz oder dem wah­ren Wil­len der Betei­lig­ten ent­spricht, so sol­len die Beden­ken mit den Betei­lig­ten erör­tert werden.

27 Bei der Beur­kun­dung der Annah­me­er­klä­rung der Fir­ma F am 23.7.2008 durch den Beklag­ten waren die oben genann­ten Ent­schei­dun­gen des Bun­des­ge­richts­hofs zur Unwirk­sam­keit unbe­fris­te­ter Fort­gel­tungs­klau­seln zwar noch nicht ergan­gen; dem Beklag­ten oblag jedoch auch bereits im Jahr 2008 die eigen­stän­di­ge und sorg­fäl­ti­ge Prü­fung der Wirk­sam­keit der ent­spre­chen­den Klau­sel. Im Rah­men der von ihm am Maß­stab des § 308 Nr. 1 BGB aus­zu­rich­ten­den sorg­fäl­ti­gen Prü­fung der Rechts­la­ge hät­te der Beklag­te erken­nen kön­nen, dass die Wirk­sam­keit der in das Ange­bot ein­be­zo­ge­nen Fort­gel­tungs­klau­sel ange­sichts ihrer feh­len­den Befris­tung jeden­falls zwei­fel­haft war. Der inhalt­li­che Bezug zu § 147 Abs. 2 BGB, wonach der Antrag nur bis zu dem Zeit­punkt ange­nom­men wer­den kann, in wel­chem der Antra­gen­de den Ein­gang der Ant­wort unter regel­mä­ßi­gen Umstän­den erwar­ten darf, dräng­te sich auf. Die ver­trag­lich ver­ein­bar­te unbe­fris­te­te Fort­gel­tung eines Kauf­an­ge­bots über­schritt den dort bestimm­ten Zeit­raum erheb­lich und unbe­grenzt (vgl. BGH NJW 2016, 1324).

28 Die Zwei­fel an der Wirk­sam­keit der Fort­gel­tungs­klau­sel hät­ten sich dem Beklag­ten auch dann in glei­cher Wei­se auf­drän­gen müs­sen, wenn er den Klä­ger nicht als Ver­brau­cher, son­dern auf­grund einer gewerb­li­chen Ver­mie­tung als Unter­neh­mer ange­se­hen hät­te. An der Beur­tei­lung der Bin­de­frist ändert dies nichts. Die Klau­sel hiel­te auch einer Inhalts­kon­trol­le nach dem dann anzu­le­gen­den Maß­stab der §§ 310 Abs. 1 S. 2, 307 Abs. 2 BGB nicht stand, denn im Rah­men die­ser Inhalts­kon­trol­le kommt dem im Geschäfts­ver­kehr mit Unter­neh­mern nicht unmit­tel­bar gel­ten­den Klau­sel­ver­bot des § 308 Nr. 1 BGB Indi­z­wir­kung für eine unan­ge­mes­se­ne Benach­tei­li­gung des Ver­trags­part­ners zu (vgl. BGH, Urteil vom 26.2.2016, Az.: V ZR 208/14 = NJW 2016, 2173).

29 Vor die­sem Hin­ter­grund oblag es dem Beklag­ten, den Klä­ger über die­se ver­än­der­te Sach­la­ge zu infor­mie­ren, um die wei­te­re Vor­ge­hens­wei­se – etwa die Beur­kun­dung eines erneu­ten Ange­bots des Klä­gers oder eine Abstand­nah­me vom Ver­trags­schluss – zu klä­ren (vgl. BGH NJW 2016, 1324).

30 Der Klä­ger war zwar an der Beur­kun­dung der Annah­me­er­klä­rung der Fir­ma F nicht unmit­tel­bar betei­ligt (das sind gemäß § 6 Abs. 2 BeurkG nur die Erschie­ne­nen, deren in eige­nem oder frem­den Namen abge­ge­be­ne Erklä­run­gen beur­kun­det wer­den sol­len); Beleh­rungs­pflich­ten des Notars bestehen jedoch auch gegen­über nur mit­tel­bar Betei­lig­ten, wenn sich die­se aus Anlass der Beur­kun­dung an den Notar gewandt und ihm eige­ne Belan­ge anver­traut haben (vgl. BGH NJW 2016, 1324). Dies dürf­te nach der Sach­ver­halts­dar­stel­lung des Klä­gers hier der Fall gewe­sen sein, da der Beklag­te dem­nach das Ange­bot mit der Fort­gel­tungs­klau­sel ent­wor­fen hat und über­dies zum Voll­zugs­no­tar bestimmt wor­den ist. In sei­ner Per­son waren damit aus der Sicht des Klä­gers meh­re­re für den Abschluss und die Durch­füh­rung des Ver­tra­ges wesent­li­che Funk­tio­nen gebün­delt (vgl. BGH NJW2016, 1324).

31 2. Dem Beklag­ten kann jedoch nicht der Vor­wurf gemacht wer­den, er habe die Beur­kun­dung ohne recht­fer­ti­gen­den Anlass in Ange­bot und Annah­me auf­ge­spal­ten. Das Land­ge­richt hat zutref­fend dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die Beur­kun­dung bei einem ein­zi­gen Notar hier zumin­dest für eine Ver­trags­par­tei einen erheb­li­chen Rei­se­auf­wand zur Fol­ge gehabt hät­te. Bei sei­ner sol­chen Sach­la­ge ist die getrenn­te Beur­kun­dung von Ange­bots- und Annah­me­er­klä­rung ohne wei­te­res zuläs­sig (vgl. Schrein­dor­fer in Beck.online Groß­kom­men­tar, BGB, Stand: 1.9.2019, § 311 b Rn. 109).

32 3. Das Land­ge­richt hat wei­ter zutref­fend aus­ge­führt, dass auch der Vor­wurf des Klä­gers, der Woh­nungs­kauf­ver­trag sei auf­grund eines auf­fäl­li­gen Miss­ver­hält­nis­ses zwi­schen Leis­tung und Gegen­leis­tung sit­ten­wid­rig im Sin­ne des § 138 Abs. 2 BGB und der Beklag­te habe hier­von Kennt­nis gehabt und hät­te des­halb die Annah­me­er­klä­rung der Fir­ma F nicht beur­kun­den dür­fen, nicht halt­bar ist.

33 Bei der lang­fris­tig ver­mie­te­ten Woh­nung han­del­te es sich um ein Anla­ge­ob­jekt, des­sen Ver­kehrs­wert sich nach dem Ertrags­wert bestimmt (vgl. OLG Mün­chen, Beschluss vom 13.2.2017, Az.: 8 U 3965/16 = Beck­RS 2017, 109091). Die 14fache Jah­res­net­to­mie­te (vgl. BGH NZM 2009, 797) belief sich hier auf 89.600,00 EUR; der von dem Klä­ger zu zah­len­de Kauf­preis in Höhe von 109.000,00 EUR lag somit noch ganz deut­lich unter dem Dop­pel­ten des tat­säch­li­chen Ver­kehrs­wer­tes. Ein beson­ders gro­bes Miss­ver­hält­nis zwi­schen Leis­tung und Gegen­leis­tung kann aber grund­sätz­lich erst ab einer Ver­kehrs­wert­ü­ber- oder ‑unter­schrei­tung von 90 % erfüllt sein (vgl. OLG Mün­chen a. a. O.). Der Woh­nungs­kauf­ver­trag ist somit nicht sit­ten­wid­rig im Sin­ne des § 138 Abs. 2 BGB. Damit bestand für den Beklag­ten kein Hin­der­nis für die Beur­kun­dung. Auf die Fra­ge, ob dem Beklag­ten ein etwa­iger nied­ri­ge­rer Ankaufs­preis der Woh­nung bei dem Erwerb der Woh­nung durch die Fir­ma F bekannt war, kommt es des­halb nicht an. Über den Ankaufs­preis hät­te der Beklag­te dem Klä­ger auch kei­ne Aus­kunft geben dür­fen; er hat die Inter­es­sen bei­der Par­tei­en zu wahren.

34 4. Der Beklag­te dürf­te zwar durch die feh­len­de Beleh­rung des Klä­gers über die mög­li­che Unwirk­sam­keit der Fort­gel­tungs­klau­sel eine fahr­läs­si­ge Amts­pflicht­ver­let­zung began­gen haben (s. o. unter II. 1.); ein Scha­dens­er­satz­an­spruch des Klä­gers schei­tert aber jeden­falls dar­an, dass er auch bei einer ent­spre­chen­den Auf­klä­rung nicht von dem Kauf­ver­trag Abstand genom­men, son­dern die­sen in glei­cher Wei­se abge­schlos­sen hät­te. Dem Klä­ger ist folg­lich kein kau­sa­ler Scha­den entstanden.

35 Der Klä­ger behaup­tet zwar, dass er bei Kennt­nis von der mög­li­chen Unwirk­sam­keit der Fort­gel­tungs­klau­sel den Woh­nungs­kauf­ver­trag nicht abge­schlos­sen hät­te; das Land­ge­richt hat sich jedoch in beru­fungs­recht­lich nicht zu bean­stan­den­der Art und Wei­se die siche­re Über­zeu­gung gebil­det, dass die­se Behaup­tung des Klä­gers nicht zutref­fend ist, son­dern der Ver­trag viel­mehr auch bei einer ent­spre­chen­den Auf­klä­rung durch den Beklag­ten in glei­cher Wei­se zustan­de gekom­men wäre.

36 Nach § 529 Abs. 1 HSZPO ist das Beru­fungs­ge­richt an die von dem erst­in­stanz­li­chen Gericht fest­ge­stell­ten Tat­sa­chen gebun­den, soweit nicht kon­kre­te Anhalts­punk­te Zwei­fel an der Voll­stän­dig­keit und Rich­tig­keit der ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Fest­stel­lun­gen begrün­den und des­halb eine erneu­te Fest­stel­lung gebie­ten. Kon­kre­te Anhalts­punk­te, wel­che die Bin­dung des Beru­fungs­ge­richts an vor­in­stanz­li­che Fest­stel­lun­gen ent­fal­len las­sen, kön­nen sich ins­be­son­de­re aus Ver­fah­rens­feh­lern erge­ben, die dem Ein­gangs­ge­richt bei der Fest­stel­lung des Sach­ver­halts unter­lau­fen sind (vgl. BGH NJW 2014, 2719; BGH NJW 2004, 1876). Ein sol­cher Ver­fah­rens­feh­ler liegt nament­lich vor, wenn die Beweis­wür­di­gung oder die Wür­di­gung des Pro­zess­stoffs in dem erst­in­stanz­li­chen Urteil den Anfor­de­run­gen nicht genügt, die von der Recht­spre­chung zu § 286 Abs. 1 ZPO ent­wi­ckelt wor­den sind. Dies ist der Fall, wenn die vor­ge­nom­me­ne Wür­di­gung unvoll­stän­dig oder in sich wider­sprüch­lich ist oder sie gegen Denk­ge­set­ze oder Erfah­rungs­sät­ze ver­stößt (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 32. Aufl., § 529 Rn. 7). Die­se Grund­sät­ze gel­ten in glei­cher Wei­se für eine Beweis­wür­di­gung im Rah­men des § 287 ZPO vgl. BGH, Urteil vom 21.1.2016, Az.: III ZR 171/15 = Beck­RS 2016, 3244).

37 Nach die­sen Maß­ga­ben ist die Wür­di­gung des Land­ge­richts, es sei kein kau­sa­ler Scha­den ent­stan­den, weil der Klä­ger die Eigen­tums­woh­nung auch bei Kennt­nis von der Unwirk­sam­keit der Fort­gel­tungs­klau­sel erwor­ben hät­te, nicht zu bean­stan­den. Das Land­ge­richt hat über­zeu­gend her­aus­ge­ar­bei­tet, dass die wirt­schaft­li­che Situa­ti­on des Klä­gers, von der er bei dem Erwerb des Anla­ge­ob­jekts aus­ge­gan­gen war, im Juli 2008 (bei der Annah­me des Ange­bots durch die Fir­ma F) noch genau­so unver­än­dert fort­be­stan­den hat wie im April 2008 (bei der Abga­be des Ange­bots durch den Klä­ger) und der Klä­ger auch kei­nen ande­ren Gesichts­punkt auf­ge­zeigt hat, der ihm vor die­sem Hin­ter­grund im Juli 2008 hät­te Anlass geben kön­nen, den im April 2008 anvi­sier­ten Ver­trag doch nicht mehr abzu­schlie­ßen. Wegen der Ein­zel­hei­ten wird inso­weit auf die Aus­füh­run­gen in dem erst­in­stanz­li­chen Urteil verwiesen.

38 Da das Land­ge­richt sich somit gera­de eine Über­zeu­gung gebil­det und kei­ne Beweis­last­ent­schei­dung getrof­fen hat, kommt es auf die Fra­ge, wer die Beweis­last zu tra­gen hat, ent­ge­gen der Ansicht der Beru­fung nicht in ent­schei­dungs­er­heb­li­cher Wei­se an.

39 5. Davon abge­se­hen hat der Klä­ger zur Höhe des ihm ent­stan­de­nen Scha­dens nicht schlüs­sig vor­ge­tra­gen. Der Klä­ger ver­langt als Scha­den den vol­len Kauf­preis der Eigen­tums­woh­nung (130.000,00 EUR brut­to), Zug um Zug gegen las­ten­freie Über­tra­gung des Eigen­tums an die­ser Woh­nung. Hat die Amts­pflicht­ver­let­zung dem Geschä­dig­ten jedoch auch Vor­tei­le gebracht, sind die­se scha­dens­min­dernd unter dem Gesichts­punkt des Vor­teils­aus­gleichs zu berück­sich­ti­gen (vgl. Schramm in Schippel/Bracker, Bun­des­no­tar­ord­nung, 9. Aufl., § 19 BNo­tO Rn. 99). Auch im vor­lie­gen­den Fall hät­te dem­nach eine Ver­mö­gens­sal­die­rung vor­ge­nom­men wer­den müs­sen. Durch den Erwerb der Eigen­tums­woh­nung hat der Klä­ger seit dem Jahr 2008 bis jeden­falls zum Jahr 2015 Miet­ein­nah­men erzielt, die er sich anrech­nen las­sen und bei sei­ner Scha­dens­er­satz­for­de­rung in Abzug brin­gen muss.

40 6. Schließ­lich und unab­hän­gig von den bis­he­ri­gen Aus­füh­run­gen schei­tert der Scha­dens­er­satz­an­spruch des Klä­gers jeden­falls dar­an, dass er zu der nega­ti­ven Anspruchs­vor­aus­set­zung der sub­si­diä­ren Haf­tung, § 19 Abs. 1 S. 2 BNo­tO, kei­nen Vor­trag gehal­ten hat.

41 Ein Fall der §§ 23, 24 BNo­tO liegt nicht vor und dem Beklag­ten kann nur eine fahr­läs­si­ge Pflicht­ver­let­zung zur Last gelegt wer­den. Da zum Zeit­punkt der Beur­kun­dung im Jahr 2008 noch kei­ne höchst­rich­ter­li­che Recht­spre­chung zur Unwirk­sam­keit der unbe­fris­te­ten Fort­gel­tungs­klau­seln ergan­ge­nen war, ist es fern­lie­gend, von einem vor­sätz­li­chen Han­deln des Beklag­ten auszugehen.

42 Jede recht­li­che oder rein tat­säch­li­che Ersatz­mög­lich­keit schließt des­halb im vor­lie­gen­den Fall die Notar­haf­tung aus. Die Ersatz­mög­lich­keit muss dabei nur zu dem­sel­ben Tat­sa­chen­kreis zu gehö­ren, in dem die Pflicht­ver­let­zung began­gen wor­den ist. Die­se nega­ti­ve Anspruchs­vor­aus­set­zung steht nicht zur Dis­po­si­ti­on der Par­tei­en. Es kommt mit­hin nicht dar­auf an, ob die Par­tei­en oder der Notar die ander­wei­ti­ge Ersatz­mög­lich­keit tat­säch­lich gel­tend machen wol­len (vgl. Schramm, a. a. O., Rn. 111).

43 Hier wäre der Klä­ger nach sei­nem eige­nen Vor­trag gehal­ten gewe­sen, gegen sei­nen Ver­trags­part­ner, die Fir­ma F, vor­zu­ge­hen und mit sei­nem Ein­wand, der Ver­trag sei wegen einer sit­ten­wid­ri­gen Über­hö­hung des Kauf­prei­ses nich­tig, die Rück­ab­wick­lung zu ver­lan­gen. Anhalts­punk­te dafür, dass dem Klä­ger die Ver­fol­gung die­ser Ersatz­mög­lich­keit nicht zuzu­mu­ten sein könn­te, sind nicht vor­ge­tra­gen und nicht ersichtlich.

44 Die Kos­ten­ent­schei­dung beruht auf § 97 Abs. 1 i. V. m. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Ent­schei­dung zur vor­läu­fi­gen Voll­streck­bar­keit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

45 Der Streit­wert für den Beru­fungs­rechts­zug wird auf 130.000,00 EUR festgesetzt.

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